Durch einen „Wir helfen“-Trikotaufnäher sollte am kommenden Spieltag der Fußballbundesliga die Flüchtlingshilfe weiter angekurbelt werden. Der FC St. Pauli distanzierte sich von der freiwilligen Aktion auf Grund eigener, bereits eingeleiteter, Maßnahmen. Bild-Chef Diekmann twitterte daraufhin, dass der Verein „kein Herz für Flüchtlinge“ habe und stieß dadurch eine Empörungswelle im Social Web an, die weitere Bundesligisten zum Handeln bewegte.
Die Flüchtlingsdebatte ist ein Thema, dass seit einigen Wochen die Massen bewegt. Auch die Fußball-Bundesliga, deren Vereine und einige der Spieler setzen sich für Flüchtlinge ein. So spendete der FC Bayern München kürzlich eine Millionen Euro, während Neven Subotic vor zwei Wochen bei das aktuelle sportstudio im ZDF für die Aufnahme von Flüchtlingen oder zumindest ein gewisses Verständnis für die Situation plädierte.
#BILDnotwelcome: Empörung nach Tweet von Diekmann
Doch die aktuelle Situation erfordert auch eine Menge Fingerspitzengefühl, wie die Interaktionen zu #BILDnotwelcome innerhalb der sozialen Netzwerke aufzeigen. Vorausgegangen war der Verzicht des Zweitligisten FC St. Pauli auf die von der Bild-Zeitung ins Leben gerufene Aktion „Wir helfen“, bei der der linke Trikotärmel durch den Aufdruck „Wir helfen“ und kleine Logos von Hermes und der Bild ersetzt werden sollen.
Etwas verstimmt reagierte Kai Diekmann, der Chef des stets kritisch beäugten Boulevardblatts, der auf die Absage des FC St. Pauli folgenden Tweet absendete und damit für eine wahre Empörungswelle, auch als Shitstorm bekannt, sorgte:
Kein Herz für Flüchtlinge: Schade eigentlich, @fcstpauli! #refugeesnotwelcome St. Pauli boykottiert „WIR HELFEN“ http://t.co/5rpnTe6KbJ
— Kai Diekmann (@KaiDiekmann) 16. September 2015
Nun musst du dir vorstellen, dass mit dem FC St. Pauli und der Bild zwei polarisierende Parteien aufeinander treffen. Während die St. Paulianer zu den beliebtesten Vereinen der Bundesliga zählen, ist das Tagesblatt aus dem Hause Axel Springer trotz seiner hohen Auflage vielleicht sogar das Hassobjekt schlechthin der deutschen Printmedien.
Absolut verständlich, dass der patzige Tweet von Kai Diekmann an die Hamburger nicht nur die deutschen Fußballfans auf die Palme brachte, sondern auch die Bild-Gegner. Beste Voraussetzungen also für einen erfolgreichen Shitstorm, zumal der FC St. Pauli seine Absage vertraulich behandeln wollte, wie aus einer Stellungnahme des Vereins hervorgeht.
Innerhalb kürzester Zeit war der Hashtag #BILDnotwelcome – in Anlehnung an #refugeesnotwelcome – geboren, der mittlerweile auf Twitter und Facebook seine Kreise zieht und bei dem das Baby von Kai Diekmann alles andere als gut davon kommt. Ein schon lange nicht mehr dagewesener Shitstorm im Fußball, den nicht nur die Bild zu spüren bekommt, sondern indirekt auch die DFL und Hermes, die das Initiatioren-Trio komplettieren.
Hier einige Tweets zu #BILDnotwelcome, die ich für dich herausgepickt habe und welche nicht nur die Brisanz des Themas verdeutlichen, sondern auch zeigen, wie rivalisierende Fangemeinden sich plötzlich vereinen, um gemeinsam gegen die Bild zu schießen:
Das ich als @HSV -Fan mal den Hut vor dem @fcstpauli ziehe, hätte ich nie gedacht! #BILDnotwelcome
— Surreal (@Horror_Vacul) 16. September 2015
#BILDnotwelcome REPOST pic.twitter.com/Gix4LGvyTa — extra3 (@extra3) 16. September 2015
Die Aktion geht immer mehr nach hinten los: Auch der @sc_freiburg und @VfLBochum1848eV sagen #BILDnotwelcome und verzichten auf Badge.
— SPONSORs (@SPONSORsVerlag) 17. September 2015
Bei einer Auflage von 2,1 Mio. werfen BILD-Käufer pro Jahr 600 Mio. € zum Fenster raus. Dafür könnte man soviel Gutes tun. #bildnotwelcome — Mahatma Pech (@Mahatmapech) 16. September 2015
Weitere Bundesligisten entfernen sich von „Wir helfen“
Dass soziale Medien jedem Nutzer eine Plattform bieten, um die persönliche Meinung herauszuposaunen ist hinlänglich bekannt. Auch Kai Diekmann wusste davon, weshalb er Twitter nutzte, um den FC St. Pauli trotz dessen vertraulicher Absage öffentlich an den Pranger zu stellen. So wurde aus einer eigentlich gut gemeinten Aktion ein wahrer Boykott, denn auch die Anhänger der einzelnen Fußball-Bundesligisten machten von der Stärke von Facebook, Twitter & Co. Gebrauch und zeigten ihren Unmut zu #BILDnotwelcome, was einige Vereine zum Handeln bewegte.
#refugeeswelcome, aber #meinVfL verzichtet trotzdem auf die Trikot-Badges beim Spiel gegen @f95. http://t.co/DezJzriJGT
— VfL Bochum 1848 e.V. (@VfLBochum1848eV) September 17, 2015
Der #SCF setzt auf konkrete Hilfen und wird gegen den #DSC ohne veränderten Ärmel-Aufnäher auf den Platz gehen. http://t.co/KBOqvLNgF3 — SC Freiburg (@sc_freiburg) September 17, 2015
So sagt #DerClub #refugeeswelcome: http://t.co/NSnmIV274T #fcn
— 1. FC Nürnberg (@1_fc_nuernberg) September 17, 2015
So werden neben dem FC St. Pauli auch Union Berlin, der SC Freiburg, Eintracht Frankfurt, der VfL Bochum und der 1. FC Nürnberg die „Wir helfen“-Aktion boykottieren und keinen Aufnäher auf dem linken Trikotärmel zeigen. Die Vereine werden auf ihre eigene Art auf die aktuelle Flüchtlingssituation reagieren und ihre bereits bestehende Hilfe weiter ausbauen oder neue Aktionen in die Wege leiten. Dass sie dafür nicht auf die DFL, die Bild-Zeitung und Hermes angewiesen sind, haben sie mit ihrem Ausstieg bereits bewiesen.
Welche Folgen der Shitstorm für Kai Diekmann und sein Blatt haben wird, ist nicht abzusehen. Fest steht, dass er durch seinen Tweet so einige Fußballfans verstimmt hat und die Sympathiekurve nach unten zeigt, auch wenn er bereits weitere, teils kluge, Tweets abgesendet hat, um den Angriff auf den FC St. Pauli weiter zu sensibilisieren und die Beschwerdegegner wieder zu Verbündeten zu machen. Denn Diekmann und die Bild-Zeitung sind es bereits gewohnt, mit negativer Kritik umzugehen.
Bildquelle: Abigail Keenan | unsplash.com